Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 f-Moll op. 21

Frédéric Chopin  (1810-1849)


Text von Sibylle Ehrismann – 2. Abo-Konzert Saison 2016/17

FRÉDÉRIC CHOPIN
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 f-Moll op. 21

VIRTUOSE LEIDENSCHAFT

Im Gegensatz zu Liszt, der als führender
Pianist seiner Zeit auch Symphonische
Dichtungen komponierte, hat
Frédéric Chopin kaum Orchesterwerke,
geschweige denn Symphonien oder
Symphonische Dichtungen geschrieben.
Beide Klavier-Titanen, Chopin und Liszt,
trafen sich übrigens in Paris, dem damaligen
Zentrum internationaler Musikgrössen.
Chopins Welt war ganz und gar das
Klavier, dennoch hat er es geschafft,
mit seinen polnischen Tänzen wie der
Mazurka oder der Polonaise zum Nationalhelden
der von Kriegswirren geplagten
Polen zu avancieren. Viele Polen sind
noch heute «Feuer und Flamme» für
Chopins Musik.
Die beiden Klavierkonzerte Chopins sind
echte Virtuosen-Stücke, in denen das
Orchester kein ebenbürtiger symphonischer
Dialogpartner ist, sondern lediglich
die klanglich-harmonische Stütze für den
brillanten Solopart. Deshalb gab es später
immer wieder Versuche, den Orchesterpart
durch Neuinstrumentierungen
aufzuwerten, was jedoch fehlschlug. Die
heutige Praxis greift ausschliesslich zur
Originalorchestrierung.
Die zündende Leidenschaft, die den
Polen eigen ist, schwingt auch in Chopins
2. Klavierkonzert f-Moll mit, welches
der junge Virtuose 1830 eigentlich als
erstes Konzert komponiert hatte. Damit
wollte er sich selber nicht nur als brillanten
Pianisten in Szene setzen, sondern
sich auch als Meister der empfindsamen
Poesie empfehlen.
Bevor der Solist beginnt, eröffnet eine
ausgedehnte Orchester-Exposition den
ersten Satz. Die Einleitung verlöscht in
einem Pianissimo und ermöglicht so dem
Solisten einen wirkungsvollen Auftritt mit
Sechzehntel-Kaskaden. Das auftaktige
Hauptthema geht nun auf das Soloklavier
über, das kantable Seitenthema
erscheint nach reicher improvisatorischer
Fortspinnung zunächst als unbegleitetes
Solo, dann in klangvoller Steigerung. Der
zweite Satz, ein Larghetto ist dreiteilig
gebaut und entfaltet ein Klavier-Notturno
von zarter Poesie. Der harmonisch aparte
Wechsel von Violinen und Flöten bereitet
den ebenfalls improvisatorisch wirkenden
Eintritt des Klaviers vor, das dann eine
sich weit entfaltende Melodie anstimmt.
Das Finale, ein Allegro vivace, schlägt
folkloristische Töne an, eine polnische
Mazurka prägt den tänzerischen Ton des
Satzes. Die Mazurka-Weise mit ihren
auf- und abwärtsrollenden Sechzehnteln
erscheint nur zweimal im Klavierpart,
ansonsten bestimmen bravourös dahineilende
Passagen und Läufe, vielfach
triolisch aufgelockert, das virtuose
Geschehen. Das Ganze rollt wie ein
Perpetuum Mobile ab. Als besonderen
Effekt lässt Chopin kurz vor Schluss die
Streicher col legno spielen, also mit dem
Bogenholz leicht auf die Saite schlagen,
während das Klavier dazu Unisono-
Kapriolen spielt.