Sinfonie Nr. 38 D-Dur KV 504 «Prager»

Wolfgang Amadeus Mozart  (1756-1791)


Programmheft für das 3. Abo-Konzert 2019/20

Eine visionäre Opernsymphonie

Am 19. Januar 1787, nur einen Tag nach einer Aufführung seiner Oper «Figaros Hochzeit» in Prag, wurde Mozarts Symphonie Nr. 38 ebenfalls in der böhmischen Metropole unter seiner Leitung erfolgreich uraufgeführt. Seitdem wird sie «Prager»-Symphonie genannt. Im Oktober des gleichen Jahres wurde zudem noch die Oper «Don Giovanni» uraufgeführt, weshalb die «Prager»-Symphonie gerne mit dem «Don Giovanni» in Verbindung gebracht wird.


Mozarts 38. Symphonie hat eine Dramatik, wie sie in keinem anderen instrumentalen Werk des Komponisten zu finden ist. Nicht selten spricht
man daher in ihrem Fall von einer instrumentalen Oper». Mozart besass die Fähigkeit, das theatralische Element auch ohne Text optimal zur Geltung zu bringen und die Instrumente zu eigentlichen Figuren zu formen. Diese Kompositionstechnik wirkt so unaufdringlich und selbstverständlich, dass man sie kaum bemerkt. Trotzdem verleiht sie dem ganzen Werk eine unvergleichliche Eleganz.


Der ausladende 1. Satz beginnt mit einer gewichtigen Adagio-Einleitung – der längsten, die Mozart je geschrieben hat –, die vom Wechsel zwischen Bläsern und Streichern sowie Forte und Piano lebt. Das Hauptthema des anschliessenden Allegros öffnet sich von düsteren zu hellen Klängen und erinnert an die «Don Giovanni»-Ouvertüre. Der 3. Satz, das Presto-Finale, hat eine Spannkraft und Virtuosität, die beispielsweise auch in der Champagnerarie des «Don Giovanni» zu finden ist.


Dass die «Prager»-Symphonie nur drei Sätze hat, also ohne das übliche Menuett auskommt, ist auf Mozarts besondere Dramaturgie zurückzuführen. Durch ihren Umfang könnte sie vier Sätze haben, Mozart gliederte sie jedoch in drei Teile. Das Menuett ist aber nicht ganz verschwunden. Im Andante ist nach einem zu Beginn schwermütigen Thema ein unterschwelliger Tanzcharakter spürbar. Unisono setzen nach einigen Takten die Streicher mit einem Staccato-Achtelmotiv ein, das in seinem Charakter an ein Menuett erinnert. Dieser 2. Satz ist das Zentrum der gesamten Symphonie, hier verdichtet Mozart das Zusammenspiel von Wehmut und Tanz.

Text: Chantal Gardelli