Konzert für Euphonium op. 182 «The sunne rising – The king will ride»

Alun Hoddinott  (1929-2008)


Text von Anna Spiess, geschrieben für das Programmheft des 5. Abo-Konzerts "Best of Bostock", Saison 2018/19.

Zwischen düsterer Lyrik und treibender Energie

Alun Hoddinott (1929 – 2008) kann als walisischer Nationalkomponist bezeichnet werden. Wie kein anderer hat er zur Ausdehnung des Musiklebens in Wales im 20. Jahrhundert beigetragen. So war er u.a. entscheidend daran beteiligt, das BBC Welsh Symphony Orchestra (heute: BBC National Orchestra of Wales) von einem 30-köpfigen Ensemble zu symphonischer Grösse zu führen. Als Dank dafür probt das Orchester heute in der 2009 errichteten BBC Hoddinott Hall. Bereits während seines Studiums an der Cardiff University – deren Musikdepartement er von 1967 bis 1987 leitete – wurden erste seiner Kompositionen von der BBC aufgeführt und verbreitet. Der internationale Durchbruch erfolgte Mitte der 1950er-Jahre mit der Aufführung seines Klarinettenkonzerts an den Proms. In der Folge häuften sich die Kompositionsaufträge grosser britischer Festivals und Orchester und auch für die Welsh National Opera realisierte er eine Reihe von Opern.

Alun Hoddinott hat ingesamt rund 300 Werke in allen denkbaren Genres komponiert, darunter zehn Symphonien und 20 Solokonzerte für alle nur erdenklichen Instrumente.

Eines davon ist sein Euphoniumkonzert, mit dem er ein Werk für ein Instrument geschaffen hat, welches nur selten solistisch hervortritt. Das im 19. Jahrhundert entstandene Polster- zungeninstrument – eine Tuba in Baritonlage – erlangte insbesondere während der Anfangszeit der Schallplatte grosse Bedeutung, wo es aus aufnahmetechnischen Gründen die tiefen Streicher unterstützte. Die Wahl eines solch exotischen Instruments für ein Solokonzert ist ungewöhnlich. Das Konzert entstand auf Wunsch des Widmungsträgers David Childs, der im Jahr 2000 als erster Euphonist zum BBC Young Musician of the Year in der Kategorie Blechblasinstrumente gewählt wurde. Hoddinott, der in der Wettbewerbs-Jury sass, war tief beeindruckt von Childs’ Musikalität. Als dieser schliesslich an ihn herantrat und ihn um ein Euphoniumkonzert bat, nahm Hoddinott die Herausforderung an und schrieb ein Stück, in dem der Solist seine technische Virtuosität voll ausschöpfen kann.

Die musikalische Fantasie Hoddinotts wurde oft durch eine Poesiezeile oder ein literarisches Bild entfacht. So bezieht er sich auch in seinem Euphoniumkonzert, das den Titel «The Sunne Rising – The King Will Ride» trägt, auf das gleichnamige Poem des englischen Dichters John Donne (1572 – 1631). Texte des Shakespeare Zeitgenossen wurden bereits zu dessen Lebzeiten vertont, u.a. von John Dow- land. Das Gedicht «The Sunne Rising» wurde postmortem im Jahre 1633 publiziert und erzählt die Geschichte eines Dichters, der sich an der Sonne stört, die ihn und seine Geliebte blendet und damit in ihrem ganz eigenen Universum der Liebe belästigt: «Geschäftiger alter Narr, lästige Sonne. Was musst du denn durch Fenster und Bettvorhang nach uns spähn? Geht Liebeszeit nach deinem Stundenplane? [...]».

Hoddinotts expressive Tonsprache führt in dunkle, farbenreiche Klangwelten. Sie orientiert sich an Bela Bartók, bleibt aber dennoch individuell. Das Euphoniumkonzert ist für ein klassisches Symphonieorchester geschrieben und wird durch eine Bandbreite von gestimmten und ungestimmten Perkussionsinstrumenten wie Glasglocken, Schlittenglocken, Glockenspiel, Flexatone, Vibraphon und Glockenspiel bis hin zu Tempelblöcken, Maracas, Tamburin und Tom-Toms ergänzt. Damit erhält das Soloinstrument einen exotisch funkelnden, charakteristischen Hintergrund, aus dem es mit seinen Melodielinien hervortreten kann.

Das Konzert ist in sechs sich fortlaufend entfaltende, thematisch zusammenhängende Abschnitte unterteilt und wird durch für Hoddinott typische Gegensätze von düsterer Lyrik und treibender Energie geprägt. Der schwärmerische, ruhige Eröffnungsteil suggeriert mit seinen warmen, aufsteigenden Linien den Sonnenaufgang in Donnes Gedicht. Er enthält signifikante Motive, die in den darauffolgenden Abschnitten immer wieder aufgegriffen werden. Das Presto im 6/16-Takt stellt mit seinem energischen Rhythmus die Jagd des Königs dar. Eine wohlverdiente Ruhepause ermöglicht der kurze Andante-Abschnitt, in dem durch den Hitzeschleier Saitenakkorde und glitzernde Perkussionsklänge schimmern. Daraufhin baut das vor- wärts gerichtete Allegretto erneut Spannung auf. Die rein orchestrale Andante-Episode bietet den Ausgangspunkt für eine anspruchsvolle Solokadenz, die mit dem Vivo in einem atemberaubenden Schluss endet, der dem Solisten technisch alles abverlangt.

Hoddinott lotet in seinem Euphoniumkonzert mit der unglaublichen harmonischen Spanne die Möglichkeiten des Instruments aus, wobei die Sololinie stets durch eine klare Orchesterbegleitung unterstützt wird. Neben Hoddinotts tiefromantischer Ader kommt im Konzert auch seine Vorliebe für die dekorative Arie und die barocke Toccata mit ihrer freien Struktur und ihren schnellen Passagen zum Ausdruck.