«Five Klee Pictures» op. 12

Peter Maxwell Davies  (1934-2016)


Kreuzfahrer und Zwitschermaschinen in der Schule

Peter Maxwell Davies gehörte zur Komponistengeneration, die nach dem Zweiten Weltkrieg die englische Musik in neue Richtungen weiterführte. In voller Kenntnis der kontinentalen Avantgarde ging Davies, ähnlich wie seine ehemaligen Schulkollegen Harrison Birtwistle und Alexander Goehr, seinen eigenen Weg, und seine Musik fand nicht nur in Grossbritannien, sondern auch international bald breite Anerkennung.

Mit knapp 25 Jahren wurde Davies music master in einer grammar school (Gymnasium) in der Kleinstadt Cirencester, ungefähr 130 km von London entfernt. Dort machte er es sich zur Aufgabe, originale und für die Schüler spielbare Kompositionen zu schreiben, ohne dabei den Anspruch auf Modernität aufzugeben. Die «Five Klee Pictures» war eines dieser pädagogisch inspirierten Werke, und wurde zuerst von den jungen Musikern in Cirencester aufgeführt. Später ging die Partitur verloren. Sie wurde jedoch aus den Orchesterstimmen wieder rekonstruiert und in einer gründlich revidierten Fassung vom führenden Jugendorchester des Landes, dem Young Musicians Symphony Orchestra, unter der Leitung seines Dirigenten James Blair, in der Hauptstadt zu neuem Leben erweckt.

Die Stücke wurden von fünf Bildern Paul Klees angeregt, die zwischen 1922 und 1940 entstanden sind. Es wird oft behauptet, die Kunst Klees sei von Natur aus musikalisch; viele Analysen haben gezeigt, wie der ausgebildete Geiger mit Linien und Farben umging wie ein Komponist oder eine Komponistin mit Noten und Rhythmen. Davies entwarf fünf kontrastierende Charakterskizzen, in denen er grossen Wert darauf legte, musikalische Strukturen so klar wie möglich zum Klingen zu bringen. Dieses Bestreben ist vielleicht im ersten Satz (A Crusader, Ein Kreuzfahrer) am stärksten. Der Satz besteht aus genau dreizehnmal 13 Schlägen; beim ersten Mal sind es ein einziger Trommelschlag und zwölf orchestrale Akkorde mit ständigem Crescendo; dann zwei Trommelschläge und elf Akkorde, drei Trommelschläge und zehn Akkorde usw. Am Ende verdrängt das Schlagzeug die anderen Instrumente fast völlig, bis sie nur noch einen einzigen Akkord zu spielen imstande sind.

In Oriental Garden (Garten im Orient), einem Quartett für zwei Oboen und zwei Klarinetten in langsamem Tempo, wird eine zarte Oboenmelodie von den anderen Instrumenten in sanften Akkorden unterstützt. The Twittering Machine (Die Zwitschermaschine) basiert auf einem rhythmischen Ostinato, gespielt von tiefen Instrumenten (Celli, Bässe, Posaune). Darüber «zwitschern» die Holzbläser und Trompeten in immer lauter werdenden, teilweise improvisierten Figuren, bis die «Maschine» am Ende allmählich wieder verstummt.

Bei Stained-Glass Saint (Heilige aus einem Fenster) spürt man den Einfluss Gustav Mahlers in der «schmachtenden» Melodik und der stufenweisen Steigerung bis zum Höhepunkt, wo das Klavier mit zwei «grandioso» Akkorden eintritt und der Satz gleich danach mit einem Nachtigall-Effekt ausklingt.

Ad Parnassum, eines der grössten und bekanntesten Meisterwerke Klees, ist ganz mysteriös in der Musik von Davies dargestellt. Der Aufstieg auf den legendären Berg erfolgt durch isolierte Motive, die in einen (eher nur angedeuteten) Bläserchoral münden. Dem schliesst sich eine Coda für zwei Trompeten an, wo die zweite Trompete die Noten der ersten im Krebsgang (von hinten nach vorn) wiedergibt.

Text: Peter Laki, September 2018