«In a Summer Garden» Rhapsodie für Orchester

Frederick Delius  (1862-1934)


Text von Peter Laki, geschrieben für das Programmheft des 4. Abo-Konzerts "Discovery UK I In an English Garden", Saison 2018/19.

Ein Paradies in der Île-de-France

Frederick Delius entstammt einer Familie von Textilhändlern und -fabrikanten aus Bielefeld. Seine Eltern siedelten Mitte der 1850er Jahre nach Nordengland in die Grafschaft Yorkshire über, wo Delius, der sich bis zu seinem 40. Lebensjahr Fritz nannte, geboren wurde und aufwuchs. Als junger Mann, der in den väterlichen Textilhandel einsteigen sollte, reiste er viel und verbrachte zudem zwei Jahre in Amerika, wo er seine eigentliche Arbeit jedoch immer mehr vernachlässigte, um sich ganz der Musik zu widmen. Zurück in Europa studierte er am Leipziger Konservatorium und liess sich schlussendlich in Grez-sur-Loing nieder, einem mittelalterlichen Dorf in der Nähe von Fontainebleau, dessen bezaubernde Schönheit viele bildende Künstler anzog und das noch unlängst zum village préféré des français erklärt wurde. An diesem paradiesischen Ort entstand eines seiner bekanntesten Werke, «In a Summer Garden», eine Idylle, in der viele Anhänger des Komponisten die Quintessenz seiner musikalischen Persönlichkeit sehen. Delius schickte der Partitur, die seiner Frau, der deutschen Malerin Jelka Rosen gewidmet ist, folgendes Zitat vom präraffaelitischen Dichter Dante Gabriel Rossetti (1828-1882) voraus:

All are my blooms; and all sweet blooms of love to thee I gave, while Spring and Summer sang.

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Ich gab dir jede süsse Liebesblume, Da Lenz und Sommer sang.

(Übersetzung Otto Hauser, 1900)

Für eine der ersten Aufführungen schrieb Delius folgenden Kommentar dazu (auf Deutsch im Original):

Rosen, Lilien und tausend duftende Blumen. Bunte Schmetterlinge flattern von Kelch zu Kelch und goldbraune Bienen summen in der warmen zitternden Sommerluft. Unter schattigen alten Bäumen ein stiller Fluß mit weißen Wasserrosen. Im Kahn, fast verborgen, zwei Menschen. Eine Drossel singt – ein Unkenton in der Ferne.

Das Werk stellt einen friedlichen Spaziergang durch diesen wundervollen Garten dar. Die stets wandelnden orchestralen Farben evozieren den Reichtum der Natur und das stille Wunder, das der Betrachter fühlt. Im Wechselspiel von Innigkeit und Selbsteröffnung, in Abschnitten bald bewegt und bald ruhevoll, schildert Delius die Freude an der Kontemplation, das Versinken in ein seliges Träumen.