«The gordian knot untied» Suite Nr. 1 bearb. von Gustav Holst

Henry Purcell  (1659-1695) Gustav Holst  (1874-1934)
Gustav Holst


Text von Sibylle Ehrismann, geschrieben für das Programmheft des 3. Abo-Konzerts «Then and Now», Saison 2018/19

Der «Orpheus Britannicus»

Henry Purcell gilt bis heute als einer der bedeutendsten englischen Komponisten. Über seine Geburt ist wenig bekannt, er kam im Sommer oder Herbst 1659 wohl in London zur Welt. Man bezeichnet ihn gerne als «Orpheus Britannicus», der in den «Songs» seiner Bühnenwerke die englische Sprache zu einer dem Italienischen ebenbürtigen Textgrundlage für Musik erhob.

Vermutlich war Purcell der Sohn des Sängers und Komponisten Thomas Purcell. Bis zu seinem Stimmbruch gehörte er als Chorknabe der Chapel Royal an, zudem erhielt er Unterricht bei John Blow. 1677 wurde Purcell Composer for the violins bei Hofe, 1679 Organist an der Westminster Abbey, 1682 einer der Organisten der Chapel Royal und 1683 königlicher Instrumentenverwalter.

Als Komponist schrieb Purcell hauptsächlich Musik für den Gebrauch am englischen Königshof. Aus seiner Feder stammen eine Reihe von festlich-repräsentativen «Trumpet Tunes» und Chorwerke für die Hoffeste, dazu Opern und Bühnenmusiken. Seit dem Aufkommen der historisch informierten Aufführungspraxis werden Purcells Opern und «Songs» wieder weltweit gespielt, so etwa «Dido and Aeneas» oder «Fairy Queen».

Im England der hochbarocken Zeit war Purcell derjenige Komponist, der über die vielseitigste Technik und reichste Erfindungsgabe verfügte. Stilistisch war er jedoch wenig innovativ, sondern eher konservativ. Auch deshalb geriet seine Musik im 18. Jahrhundert in Vergessenheit und wurde erst durch die 1876 gegründete Londoner Purcell Society wieder ins öffentliche Bewusstsein geholt.

Einen wichtigen Anteil daran hatte der britische Komponist Gustav Holst (1874 – 1934), einer der originellsten Symphoniker des 20. Jahrhunderts. Lange bevor die historisch informierte Aufführungspraxis zu einer Bewegung wurde, engagierte er sich in Grossbritannien als Dirigent und Lehrer für die Wiederbelebung Alter Musik. Holst brachte seinen Chorsängern nicht nur Morley- und Purcell-Songs bei, er dirigierte auch die erste Wiederaufführung von Purcells «Fairy Queen». Dabei betätigte sich Holst hauptsächlich als Arrangeur, was zu dieser Zeit üblich war. So hat etwa auch Carl Orff die Musik Claudio Monteverdis instrumentiert, um sie überhaupt wieder zur Aufführung bringen zu können. Von Purcells Bühnenmusik «The Gordian Knot Untied» («Der gelöste Gordische Knoten») hat Holst zwei Suiten für Orchester arrangiert. Die Musik hat er dabei nicht verändert, er hat sie nur delikat instrumentiert. Ursprünglich als Theatermusik gedacht, mit Ouvertüre und Zwischenspielen, hat die Musik keinen Bezug zum Inhalt des Theaterstücks «The Gordian Knot Untied», dessen Autor übrigens unbekannt ist.

Es entfaltet sich vielmehr eine höfische Atmosphäre mit Barocktänzen und Madrigalen. Besonders eindrücklich ist das Rondeau minuet, im französischen Stil traurig und sehr berührend, oder die Jig, die mit einem versteckten Zitat des «Lilliburlero»-Marschthemas – eine wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert stammende irische Volksliedmelodie – auf die glorreiche Revolution verweist, die zur Absetzung des Katholischen Königs James II. führte.