Serenade für Streichorchester

Krzysztof Penderecki  (1933 *)


Unendlicher Streichersound

Krzysztof Penderecki hat insgesamt acht Symphonien komponiert, eine ungewöhnliche Gattung für unsere Zeit. Er nutzt diese repräsentative Grossform, um in spätromantischer Manier Botschaften auszusenden. Dafür hat er auch – wie etwa in seiner «Achten» – die Besetzung um einen Chor erweitert, was ja bereits Beethoven mit seiner «Neunten», Mendelssohn mit seiner «Lobgesang»-Symphonie Nr. 2, und später vor allem Gustav Mahler etabliert haben.

So ist Pendereckis letzte Symphonie, die 2005 zur Eröffnung der Luxemburger Philharmonie uraufgeführt wurde, mit «Lieder der Vergänglichkeit» überschrieben. Es handelt sich denn auch weniger um eine Symphonie als um einen neunteiligen Liederzyklus für drei Gesangssolisten, gemischten Chor und Orchester. Andererseits erstaunt an dieser Symphonie, wie bedenken- los Penderecki den üppigen Streicher- sound zelebriert. In seinen jungen Jahren nämlich hat er, ganz im Sinne der Avantgarde, mit Geräuschen und Clusterklängen experimentiert, doch das nur kurz.

Die «Serenada per archi» und das «Adagio dolce» aus seiner 3. Symphonie, welche Penderecki mit dem argovia philharmonic präsentiert, haben ihre Entstehung beide den damaligen Musikfestwochen Luzern (heute: Lucerne Festival) zu verdanken. So war die «Dritte» ursprünglich für das Festkonzert des Luzerner Festspielorchesters gedacht, das 1988 sein 50-jähriges Bestehen mit Pendereckis Komposition feiern wollte. Bis zum Aufführungstermin waren jedoch nur die beiden Sätze Passacaglia und Allegro (heute Satz 2 und 4) fertigge- stellt, die Penderecki auch dirigierte. Erst 1995, also sieben Jahre später, führten die Münchner Philharmoniker unter Pendereckis Leitung die ge- samte fünfsätzige Symphonie auf.

Ihre ausgedehnte Spieldauer von 50 Minuten und die umfangreiche Or- chesterbesetzung stellen die «Dritte» in die Tradition der grossen Symphonien. Das «Adagio dolce», eigentlich der dritte Satz, nimmt mit 13 Minuten Spieldauer fast Brucknersche Aus- masse an. Es ist ein ruhiges, unendliches Wogen in dunklem Streicherklang, sehnsuchtsvoll und suggestiv. Das Eingangsmotiv mit seinen chromatischen Vorhaltsreibungen assozi- iert den Anfang von Wagners «Tristan».

Die gesangliche Melodie, die in der Originalversion in schlichtem Strei- chersatz beginnt, changiert später zwischen Streichern und Bläsern, um immer neue Farbnuancen anzunehmen. In der reinen Streicherversion, die Penderecki 2013 einrichtete, bekommt diese Melodie durch das deutlich begrenzte Klangspektrum eine noch stärkere Sogwirkung. Penderecki hat dieses «Adagio» aus der 3. Symphonie immer wieder als Einzelsatz dirigiert.

Dem Einzelsatz aus der 3. Symphonie geht seine «Serenada per archi» voraus, mit welcher der polnische Maes- tro seinen Beitrag zu den modernen Serenaden des 20. Jahrhunderts geliefert hat, ähnlich wie Britten, Strawinsky und Schönberg. Die beiden Sätze Passacaglia und Larghetto sind ursprünglich als unabhängige Stücke für Streichorchester entstanden. Als zweisätzige Serenade kam sie am 31. August 1997 mit den Festival Strings Lucerne unter Rudolf Baumgartner zur Uraufführung.

Erstaunlich, welche Innigkeit Penderecki dem kammerorchestralen Klang abzugewinnen vermag. Die Passacaglia entfaltet sich über einem schlichten melodisch-rhythmischen Motiv, das im hohen Streichregister vorgestellt wird und sukzessive in die Bässe geführt wird.

Das Larghetto ist doppelt so lange und strömt weit aus. Das Hauptmotiv ist dem «Et incarnatus est» aus Pendereckis vokal-instrumentalem «Credo» entlehnt, zudem gibt es Anklänge an das «Polnische Requiem». So verführerisch schön und bewegend diese tonale Streichermusik ist, Penderecki weiss immer wieder mit raffinierten Mitteln zu überraschen, der Musik seinen eigenen Tonfall zu geben.

(Text: Sibylle Ehrismann)