Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 «Eroica»

Ludwig van Beethoven  (1770-1827)


Programmheft A1 Saison 2017/18

Eine neue symphonische Sprache

Beethovens 3. Symphonie ist seit jeher als ein Wendepunkt, nicht allein in Beethovens Entwicklung, sondern auch in der Musikgeschichte über-haupt, begriffen worden. Sie ist das Musterwerk für den neuen Weg, für das symphonische Ideal der heroischen Periode. Doch was genau ist das Neue, Bedeutende der «Eroica»?

Man kann diese Symphonie als poetisches Tongemälde hören, das um die Themen Heldentum, Napoleon, Revolution und Menschwerdung kreist. Oder auch als avantgardistisches Experiment eines Komponisten, der die Gesetze der musikalischen Form revolutionär erweitert, ja neu definiert. Jedenfalls liess sich Beethoven, kurz nachdem er im Heiligen-städter Testament mit seiner Taubheit gehadert hatte, viel Zeit für dieses Werk.

Entstanden ist die «Eroica» 1803, Skizzen und Entwürfe fertigte Beet-hoven jedoch schon im Vorjahr an. Auch 1804 arbeitete er wohl noch daran. Nach mehreren Probeaufführungen, auch im Haus des Widmungsträgers Fürst Franz Joseph von Lobkowitz, nahm er noch Ände-rungen vor. Dieser suchende und viel ausprobierende Arbeitsprozess ist in Beethovens Eroica-Skizzenbuch dokumentiert.

Beethoven selbst bezeichnete seine Dritte auf dem Titelblatt als «Sinfonia grande». Allein schon die zeitliche Dimension dieser Symphonie ist mit rund 50 Minuten Spieldauer bemerkenswert. Diese Länge ergibt sich hauptsächlich durch die überdimensionierten Durchführungen, die schon das Publikum der öffentlichen Uraufführung am 7. April 1805 im Theater an der Wien – übrigens unter Beethovens eigener Leitung – nicht wirklich goutierte. Der erste Berichterstatter nannte die «Eroica» «eine sehr weit ausgeführte, kühne und wilde Phantasie». Zwei Jahre später heisst es in einer anderen Zeitschrift, sie sei die «grösste, originellste, kunstvollste und zugleich interessanteste aller Symphonien».

Es war die Zeit der Französischen Revolution. Auch Beethoven war begeistert von Napoleon Bonaparte, der auszog, um die Fürstenhäuser zu stürzen. In der «Eroica» nimmt Beethoven Bezug auf die franzö-sische Revolutionsmusik, die mit einer Aufwertung der Bläser signalhaft zur Wirkung kommt. Und die Legende von Beethovens Widmung seiner Dritten an Bonaparte, die er wütend zerrissen haben soll, als dieser sich zum Kaiser krönen liess, ist hinlänglich bekannt.

Der Kopfsatz der «Eroica» beginnt mit einer Dreiklangsmelodie, die durch eine zweitaktige Einleitung vorbe-reitet wird. Dieses Motto taucht im ersten Satz immer wieder an wich-tigen Stellen auf. Deshalb ist es überhaupt keine Einleitung, wie man sie in Beethovens 1. und 2. Symphonie findet, vielmehr ist man damit von der ersten Note an mittendrin. Es handelt sich jedoch nicht eigentlich um ein Hauptthema, sondern um eine motivische Idee, die sich aus Dreiklangs-brechungen zusammensetzt.

Auffällig ist, dass Beethoven in seiner «Sinfonia grande» erstmals drei Hörner fordert und nicht, wie sonst üblich, zwei. Dazu gehört auch derberühmte «falsche» Horneinsatz in der Coda des Kopfsatzes. Über einem Sekundakkord von B7 beginnen die Hörner mit dem Hauptthema in Es-Dur, also eigentlich zu früh, die Reprise beginnt erst zwei Takte später, nun wirklich in Es-Dur. Jeder Zuhörer hat hier das Gefühl, der Hornist habe falsch eingesetzt, was jedoch nicht stimmt.

Beethovens Idee, den zweiten, langsamen Satz als Trauermarsch zu komponieren, ist sehr eigenwillig. In einer deutschen Symphonie war dies ein Novum. Gleich am Anfang beginnen die Geigen mit einem klagenden ersten Motiv, das sie über rollenden Bässen spielen; dann wird das Thema trostvoll in der Oboe wiederholt. Der Wechsel von Dunkel und Hell ist im Wechsel der Tonarten von c-Moll nach C-Dur erkennbar.

Als dritten Satz erwartete das damalige Publikum ein gemächliches Menuetto. Beethovens Scherzo, das vom leichten und beschwingten Tempo Allegro vivace erfüllt ist, überraschte also umso mehr. Es beginnt mit einem 28-taktigen Staccato der Streicher, welches das Hauptthema des Satzes vorstellt. Es folgt ein Hörner-Trio, und schon geht es wieder weiter mit den hastenden Staccato-bewegungen der Streichergruppen. Alles fliesst in diesem Satz und geht fast nahtlos ineinander über.

Trotz aller Dynamik, Gewalt und Betonung des Rhythmischen hat auch der Kopfsatz einen tänzerischen Charakter, denn er ist im ungeraden ¾-Takt geschrieben; normalerweise stand der erste Satz jeweils in geradem Zeitfluss. Damit ist ein Bezug zum Finale gegeben, das vor allem aus Variationen besteht, deren Hauptthema einem Motiv aus Beet-hovens Ballettmusik «Die Geschöpfe des Prometheus» entspringt. In diesen Tanz-Variationen fliessen immer wieder neue Ideen in die Gesamtform ein, entsprechend frei erscheint die Gestaltungsform.

(Text: Sibylle Ehrismann)