Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

Ludwig van Beethoven  (1770-1827)


Triviales Thema - Grandiose Entfaltung

Beethovens Symphonie Nr. 5 c-Moll wird in zyklischen Aufführungen gerne zusammen mit der Symphonie Nr. 6 F-Dur, der idyllischen «Pastorale» gespielt. Die beiden ganz unterschiedlichen Symphonien sind nämlich fast gleichzeitig und parallel zueinander entstanden. Und sie wurden auch zusammen uraufgeführt, in der über vier Stunden dauernden Beethoven-Akademie vom 22. Dezember 1808 im ungeheizten Theater an der Wien. Im gleichen Konzert waren Beethovens 4. Klavierkonzert, Teile aus seiner C-Dur-Messe und der Chorfantasie zu hören.

Douglas Bostock jedoch spielt mit dem argovia philharmonic die «Fünfte» in c-Moll zusammen mit der Symphonie Nr. 1 in C-Dur. Damit ermöglicht er einen interessanten Einblick in die sympho-nische Entwicklung Beethovens, vor allem im Bereich der harmonischen Kühn-heiten. Dass Beethoven bereits vor seiner ersten Symphonie in C-Dur Ideen zur Symphonie in c-Moll skizziert hatte, ist heute bekannt. Welches Gewicht er selbst seiner «Fünften» beimass, an welcher er acht Jahre gearbeitet hatte, wird durch seine Widmung deutlich: sie ist seinen beiden grössten Mäzenen zugeeignet, dem Fürsten Lobkowitz und dem Grafen von Rasumowsky.

Die «Fünfte» ist nicht nur die populärste Symphonie des Meisters, sie ist auch eine «Ideenmusik» von höchster Konzentration und Geschlossenheit. Mit ihrer lapidaren Wucht stellt sie hohe Anforderungen an die Aufnahmefähigkeit des Publikums: Direkter und zwingender als je zuvor wird der Hörer in das Geschehen hineinge-zogen, aufgefordert mitzufühlen, mitzuerleben. Dabei ist das «schicksalshafte» Klopfmotiv, das mit einer zweifachen Fermatensetzung aus dem ungeheuren rhythmischen Fluss herausgehoben wird, schon fast trivial. Es wird jedoch zum Ausgangspunkt einer durch Wiederholungen und Variationen entstehenden Thematik, die sich aus der rhythmischen Energie und der harmonischen Spannung der fallenden Terz nährt.

In seiner fünften Symphonie fokussiert sich Beethoven ganz auf dieses eine Thema, das Seitenthema bleibt episodisch, schon bei seinem ersten Auftreten wird es vom Hauptmotiv im Bass kontra-punktiert. Diese «hämmernde» Monothematik verleiht der «Fünften» eine Eindringlichkeit und Geschlossenheit, wie es sie zuvor nicht gab. Auffällig ist im Kopfsatz auch, dass die formale Dreiteiligkeit des Sonatensatzes durch eine ausgedehnte Coda zur Vierteiligkeit erweitert wird. Diese Coda nutzt Beethoven zu einer zweiten Durchführung, dem Hauptmotiv werden nochmals neue Kontrapunkte gegenübergestellt.

Verschärft wird in der «Fünften» auch der Kontrast zwischen den Sätzen. Der zweite Satz ist nicht wie in der 1. Symphonie ein Andante, sondern ein noch langsameres, gesangliches Adagio, wobei Beethoven die Sonatenhauptsatz-Form mit Variationen überlagert. Das Seiten-thema bekommt mehr Bedeutung und die harmonische Spannung zwischen den in C-Dur und As-Dur stehenden Abschnitten verschärft die formale Mehrdeutigkeit dieses Satzes.

Im üblicherweise tänzerisch gehaltenen dritten Satz greift Beethoven das «ausweglos scheinende Hämmern und Kreisen in c-Moll» des Kopfsatzes wieder auf, aber düster verschärft. Hatte er in der 1. Symphonie das Menuett bereits zu einem Scherzo zugespitzt, so ist es hier ein verzweifeltes Allegro. Einen wirkungsvollen Effekt bringt die pausenlose breite Überleitung in das Finale, verbleibt sie doch im Pianissimo. Damit erzielt Beethoven den grösstmöglichen Kontrast zum triumphalen Schlusssatz, zum errungenen Durchbruch in die strahlende Tonart C-Dur: durch das c-Moll-Dunkel zum C-Dur-Licht. So verleiht Beethoven auch der Tonart C-Dur, in der er ja bereits seine 1. Symphonie komponiert hatte, eine markant gesteigerte Bedeutung.

Es wundert nicht, dass der romantische Dichter E. T. A. Hoffmann nach der Uraufführung der «Fünften» einen vortrefflichen Artikel schrieb, in dem er von einer «genialen Rhapsodie» sprach, von einem «unendlichen ungestillten Verlangen», von jener unendlichen Sehnsucht eben, die das Wesen der Romantik ausmacht.

Das triumphale Finale hat aber auch einen ganz konkreten zeithistorischen Bezug: die Tonart C-Dur wird durch immer neue Themen bestätigt, die zum Teil direkt aus den Märschen und Massengesängen der Französischen Revolution entlehnt sind. Hier ist der Freigeist und überzeugte Republikaner Beethoven ganz in seinem Element.

(Text: Sibylle Ehrismann)